Ein Weinberg für Ortenberg

Artikel der Frankfurter Neuen Presse vom 29.6.2024. Abegrufen am 9.7.2024

https://www.fnp.de/lokales/wetteraukreis/ein-weinberg-fuer-ortenberg-93158340.html

Der »Jakobsäcker« wird mit zwei Rebstöcken eingeweiht

Ortenberg (mü). »Wasser macht weise und lustig der Wein - drum trinket sie beide, um beides zu sein.« Mit diesem Trinkspruch haben Dr. Bernd Vielsmeier und seine Ehefrau Maria Vielsmeier als Impulsgeber für den neuen Weinberg zwischen Selters und Wippenbach die Zeremonie zur Übergabe des Leader-Bescheids begleitet. Der »Weinberg Jakobsäcker«, benannt nach der gleichnamigen Gemarkung, auf der bereits früher Wein angebaut wurde, ist Ortenbergs erstes Projekt, das im Rahmen der interkommunalen Landesgartenschau 2027 verwirklicht wird.

 

30 000 Euro Gesamtkosten

Silvia Kirmis, Projektmanagerin bei der Wirtschaftsförderung Wetterau, übergab den Förder- und Zuwendungsbescheid in Höhe von

20 000 Euro - bei Gesamtkosten von 30 000 Euro - direkt vor Ort während einer kleinen Feierstunde. Durch das Programm führte Otfried Herling, Berater der Stadt Ortenberg für Projekte der Stadtentwicklung. Neben dem Ehepaar Vielsmeyer - er promovierter Historiker, sie Tochter einer Winzerfamilie an der pfälzischen Weinstraße - holte Herling auch die noch amtierende Ortenberger Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring (SPD) und ihren designierten Nachfolger Markus Bäckel (FWG) ins Boot, dazu den Vorsitzenden des Ortenberger Obst- und Gartenbauvereins (OGV) Johannes Naumann als Vertreter des Pächtervereins und Joachim Seipel als Fachmann für Garten- und Landschaftspflege, der tatkräftig bei Anlage und Erstbepflanzung unterstützt hatte.

Sie alle berichteten vom Zustandekommen des Projektes »Weinberg Jakobsäcker«, das seitens des Eckartsborner Ehepaares Vielsmeier auf Basis seiner profunden historischen und praktischen Kenntnisse angestoßen wurde. Packend referierte Bernd Vielsmeier über die lange Tradition der sogenannten Wilden Rebe (vitis vinifera) in der Region, deren Weinblätter bereits in 16 Millionen Jahre alten Schichten versteinerter Kohle gefunden wurden. »Im kohle- und salzhaltigen Erdreich von Bad Salzhausen wurden sogar Kerne dieser ausgestorbenen Ur-Rebsorten konserviert - nämlich die Deutsche Rebe und die Ludwigsrebe«, so Vielsmeier, der über den Weinanbau in Ortenberg bereits einen historischen Schriftband mit zahlreichen Bildern von Trauben und Weinranken in Bauschmuck und Ornamentik verfasst hat. »Die Kultur-Rebsorten, darunter den einst auch hier angebauten Gutedel, und die Kenntnisse über den Weinbau selbst brachten in der Antike die Römer nach Germanien, die sie wiederum von den Babyloniern und den Ägyptern übernommen hatten«, sagte der Historiker.

Der Bleichenbacher Tierarzt Raimund Heck habe im weitgespannten Kreis seiner Klientel gezielt nach alten Weinstöcken an Häusern und Scheunen gesucht und um die Übergabe von Setzlingen gebeten. Auf diese Weise kam die neue Erstbepflanzung des »Weinbergs Jakobsäcker« zustande, der aufgrund seiner Südhanglage für den Anbau prädestiniert ist.

Bereits 150 Weinstöcke

Von den rund 150 bereits gesetzten Weinstöcken gehört rund ein Drittel historischen Weiß- und Rotrebsorten wie Blauer Silvaner, Gelber Muskateller, Gutedel, Ruländer, Schwarz- und Weiß-Riesling an. Sie repräsentieren das Anliegen des Projektes, den historischen Weinanbau in der Wetterau wiederzubeleben und den genetischen Pool weit über die Landesgartenschau hinaus zu erhalten. Galt Wein im Mittelalter doch als besonders gesundes Getränk, da er keimfrei und somit ungefährlicher als das oft verunreinigte Trinkwasser war.

Die übrige Bepflanzung ist dagegen zukunftsweisend und besteht aus sogenannten »PiWi«-Reben wie Donauriesling, Johanniter, Muscaris, Regent und Satin Noir. »Die Abkürzung »PiWi« steht für pilzwiderständige und klimarobuste Rebsorten, die aus Kreuzungen europäischer, amerikanischer und asiatischer Sorten entstanden sind«, führte Winzertochter Maria Vielsmeier aus. »Sie kommen nahezu ohne umweltschädliche Pestizide aus und ermöglichen somit einen biodynamischen Anbau.«

Im Anschluss an die Redebeiträge setzten Ulrike Pfeiffer-Pantring und ihr Nachfolger Markus Bäckel symbolisch je einen historischen Rot- und Weißtrauben-Rebstock. Gemeinsam enthüllte die Gruppe zudem ein Banner, das auf den Weinberg, seine Eigentümer, Bewirtschafter und Förderer verweist. An dieser Stelle soll künftig eine Schutz- und Gerätehütte entstehen. Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring lobte das Unterfangen als Vorzeigeprojekt einer gelungenen Zusammenarbeit von bürgerlicher Basis, Stadt, Bauhof, Wirtschaftsförderung und Kreis